Stellen Sie sich vor: Sie laden gute Freunde oder Menschen, die sie näher kennenlernen wollen, zu einem gepflegten Abendessen ein. Sie werden sich ernsthaft Mühe machen, damit es schön wird. Es wird gut gekocht, der Tisch wird schön gedeckt, Sie ziehen sich gut an, die Kerzen sind angezündet.
Und jetzt stellen Sie sich vor: Sie laden ihre Freunde zum Gottesdienst zu sich nach Hause ein. So viel anders wird es nicht sein, denn auch dann werden sie alles dran setzen und dafür einsetzen, dass sich ihre Gäste wohlfühlen.
Und doch wird es anders sein. Sie sagen ja nicht: "Ich möchte Sie zum Abendessen einladen", sondern: "Ich möchte einen Gottesdienst feiern, und dazu lade ich sie ein." Sie veranlassen also ihre Gäste, sich so zu verhalten, als würden sie zur Kirche gehen. Am Anfang wird das noch ungewohnt und neu sein und deswegen mit Unsicherheiten verbunden sein. Aber je öfter Sie einen Gottesdienst bei sich zu Hause feiern und je öfter Ihre Gäste an einem solchen Gottesdienst der Hauskirche teilnehmen, desto vertrauter wird er werden.
Dazu stellt sich allerdings zunächst die Frage: Wieso sollen wir einen Gottesdienst zu Hause feiern? Warum nicht in der Kirche? Die Antwort auf solche Fragen ist allerdings einfach: Die Gottesdienste in der Kirche, in der Regel am Sonntag morgen werden nicht mehr angenommen. "Die Kirchen werden immer leerer", lesen und hören wir oft in den Medien. Nicht, dass die Leute kein Interesse mehr am Glauben, am Christentum oder an den biblischen Schriften. Aber der Gottesdienst, den wir gewohnt sind, passt nicht mehr zu ihnen.
Wie aber soll der Gottesdienst in Zukunft aussehen. Es wird ja viel experimentiert, was aber an den Tendenz des Auszugs aus dem Gottesdienst auf die Breite nicht viel geändert hat. Und das heißt: Wir müssen beim Gottesdienst ganz von vorne anfangen. So wie die Christen im Neuen Testament, die auch mit dem Gottesdienst anfingen, ohne zu wissen, wie man ihn feiert. Jesus hatte dazu jedenfalls nicht viel gesagt (so als wollte er signalisieren: "Ihr macht das schon…"). Sie haben einfach zu Hause in ihrem Wohnzimmer angefangen und so hat sich der Gottesdienst nach und nach entwickelt.
So machen wir es auch. Wir fangen noch einmal von vorne an. Wir probieren aus, was wir brauchen, wir lernen, und so entwickeln wir den Gottesdienst neu. In der Apostelgeschichte (2,42) heißt es dazu: "Sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet." Auch wenn diese Aufzählung nicht unbedingt als einzuhaltende Reihenfolge verstanden werden soll, sind hier die zentralen Elemente des Gottesdienstes genannt:
Aus der "Lehre der Apostel", die es zunächst nur mündlich gab, auch wenn sicher bald schon Aufzeichnungen dazu gemacht wurden, sind später die Evangelien entstanden. Dabei haben die Christen selbstverständlich auch ihre Bibel, also unsere Altes Testament gelesen. Wahrscheinlich ist ein Apostel oder ein Lehrer dazu kommen und hat sie ausgelegt und weitervermittelt. Da wurde wohl auch viel auswendig gelernt, denn das Schreiben war ja noch nicht so einfach.
Die "Gemeinschaft" weist darauf hin, dass die Teilnehmer einer Hauskirche sich viel gegenseitig erzählt haben, auch über die eigenen Erfahrungen mit dem Glauben und sich dabei zugehört haben. Sie nehmen Anteil aneinander. Die Tischgemeinschaft ist sichtbarer Ausdruck dafür.
Das "Brotbrechen" ist zunächst einmal keine Anspielung auf das Abendmahl, sondern erinnert an die Mahlgemeinschaften Jesu mit seinen Jüngern, die mit dem Ritual des Brotbrechens als damalige Form des Tischgebetes eröffnet wurde. Natürlich ist der Bezug auch zum Abendmahl deutlich, aber dieses ist ja selbst aus diesen Mahlgemeinschaften erwachsen und wurde im Rahmen des letzten Passah-Mahles zum Auftrag Jesu an die "zwei oder drei" oder mehr, die "in meinem Namen versammelt sind". Die Frage, ob dies auch ohne Anwesenheit einer ordinierten Person geht, will ich an anderer Stelle besprechen.
Das "Gebet" ist ein Hinweis darauf, dass das gemeinsame Gebet in der Hauskirche einen großen Raum einnahm. Aber es war wohl nicht liturgisch festgelegt, auch wenn sicher das eine oder andere Element aus dem Gottesdienst der Synagoge übernommen worden sein mag. Aber eine feste Ordnung wird es zunächst nicht gegeben haben; vielleicht hat sie sich mit der Zeit mehr und mehr verfestigt.
In diesem Sinne lässt sich auch heute noch Gottesdienst zu Hause feiern. Der Ablauf des Abends kann in einem kleinen Gottesdienstprogramm schriftlich vorliegen. Zunächst ist der Tisch, um den die Eingeladenen sich versammeln, ganz leer, vielleicht stehen ein oder zwei brennende Kerzen oder ein Blumengesteck in der Mitte. Der Gastgeber beginnt diesen Gottesdienst - wie jeden Gottesdienst - "im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Dann wird ein Psalm gebetet, vielleich im Wechsel. Gesungen werden soll nur, wenn die Teilnehmenden wirklich Freude daran haben. Daran schließt sich die Bibel-Arbeit an, die Arbeit an einem ausgewählten biblischen Text. Eine(r) hat sich schon eingearbeitet und gibt eine Einführung. Daraus ergibt sich ein Gespräch, in dem der Text erarbeitet wird.
Im Anschluss daran wird der Tisch festlich gedeckt; was auf den Tisch kommt, wurde vorher schon auf der Anrichte oder einen anderen Tisch bereit gestellt. Der Gastgeber oder eine andere Person spricht ein freies Gebet oder liest etwa einen der neutestamentlichen Psalmen. Danach bricht er das Brot, spricht ggf. das Brotwort und verteilt das gebrochene Brot unter den Anwesenden (oder jeder bricht sich selbst ein Stück ab). Danach spricht er ein kurzes Dankgebet, z. B. "Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte während ewiglich." Dann beginnt die Mahlzeit mit Tischgesprächen und hoffentlich guter Laune. Wenn alle gesättigt sind, nimmt der Gastgeber oder die Person, die schon das Brot gebrochen hat, den Kelch und reicht ihn herum, ggf. indem er das Kelchwort sagt. Ist der Kelch herumgegangen sprechen alle das Vaterunser gemeinsam.
Dann wird der Tisch wieder mit Hilfe aller Anwesenden abgeräumt, den nun beginnt die Zeit des gemeinsamen Gebetes. Dazu können kleine Kerzen angezündet werden, um die Gebete sichtbar zu machen - eine alte Tradition des Christentums. Ist jemand unter den Anwesenden, der sich in einer besonderen Situation befindet, kann für ihn besonders gebetet werden, etwa indem zwei oder drei eine Hand auf Schulter oder Rücken legen, als Zeichen der "Rückenstärkung". Der Gastgeber schließt dann diese Gebetszeit und den ganzen Gottesdienst mit dem aaronitischen Segen ab. Die Teilnehmer gehen aber noch nicht nach Hause, weil wahrscheinlich noch ein bisschen Wein in der Flasche übrig ist…
So könnte es damals gewesen sein und so könnte es wieder sein. Lassen Sie sich mal drauf ein und probieren Sie es aus. Gerne unterstütze ich sie dabei.