Irgendwann muss es gut sein

 

Irgendwann muss es gut sein. Alles hat seine Zeit. Wunden lecken hat seine Zeit. Aber die ist dann auch mal vorbei. Ich habe soviel mit meiner Kirche erlebt, was mich verletzt hat. Was es schwer macht, die evangelische Kirche noch als Heimat anzusehen - was sie mir, in einem Pfarrhaus aufgewachsen, von Kindesbeinen an war. Aber sie bleibt meine Heimat. Die spröde, gealterte, kranke evangelische Kirche. Seine Mutter schickt man nicht so leicht aufs Altenteil.

 

Und es gibt einen Ausweg aus Sprödigkeit, Alter und Krankheit. Man muss ihn nur finden. Und gehen wollen. Beherzt und entschlossen. Hinweise darauf gibt es viele und von vielen. Aber noch sind wir zu zögerlich, zu zaghaft. Zu mutlos. Erdrückt von der normativen Kraft des Faktischen. Ohne Vorstellung, dass es auch anders sein könnte. Es reicht nicht, sie einen Ruck zu geben, die Ärmel hochzukrempeln und "Mit uns die neue Zeit" zu singen (das ist jetzt zwar SPD, aber passt auch hierhin ganz gut).

 

Nein, es muss wachsen. Wachsen kann nur, was man wachsen lässt. An der kanadischen Westküster, auf Vancouver Island, waren wir in einem Urwald. Das wahre Chaos! Tote Bäume, vermoderte Baumstämme, abgestorbene Pflanzen, alles wild durcheinander. Aber aus diesem Chaos wuchs eine unglaubliche Pflanzenvielfalt, wie man sie sonst nicht sieht. Sie beherbergte eine Tierwelt, die man wiederum sonst nirgendwo mehr antrifft.

 

Wenn man es einfach nur wachsen lässt. Genau das ist das Geheimnis der christlichen Lebenskunst. Wachsen lässen. Dazu sind drei Orte nötig. Am ersten Ort bin ich allein. Nichts lenkt mich ab. Nicht erfordert meine Aufmerksamkeit. Kirchen sind, so lange sie es noch gibt, solche Orte. Orte, an denen wir anfangen zu lernen, wie man sich selbst spürt. Denn dass haben wir verlernt. Wir werden von morgen bis abends mit Informationen gefüttert. Glauben fängt mit eigenen Körper an. Sich selbst wieder spüren. Wenn wir uns einmal drauf einlassen - wie gut das tut, sich selbst zu spüren. Der zweite Ort ist die Gemeinschaft. Die Zwiesprache. Die Erzählung. Das Zuhören. Der Ort an dem wir unseren Glauben teilen. Nur wenn wir ihne - übrigens nicht nur unter Glaubenden - teilen, kann er wachsen. Und am dritten Ort geht das Christentum an die Öffentlichkeit. Hier geht es um die Einübung der evangelischen Rituale, die sich mit dem "Namen", dem "Wort", dem "Bund" und dem "Segen" Gottes verbinden.

 

Das alles braucht Entschlossenheit. Und Geduld. Nachhalten und Zeit lassen - ein wichtiges Grundgesetz des Christentums als Lebenskunst.

 

Diese Spur lasst uns verfolgen. Demnächst mehr davon, im kleinen Dreimalvier der christlichen Lebenskunst.

 

 

 

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