Ein Salbungsgottesdienst in Essen

(Vorbemerkung: Der nächste Salbungsgottesdienst in der Kreuzeskirche in Essen findet am 15. September, 10 Uhr, statt.)

 

Die Kreuzeskirche, erbaut gegen Ende des 19. Jahrhunderts, ist eine der großen evangelischen Kirchen in der Essener Innenstadt. Wenn man sie betritt, gelangt man - anders als dies wohl in früheren Jahrzehnten der Fall war - in einen hellen, betont evangelisch-schlichten Raum, mit einer konzentrierten Atmosphäre, die mich ein wenig an die Düsseldorf Johanneskirche erinnert. Nichts lenkt ab, alles ist darauf gerichtet, was sich vorne im Zentrum des Kirchenraumes abspielt. Durch die sehr gute, offenbar technisch gründlich geplante Akustik wird die ganze Gottesdienstgemeinde in allen Bereichen des Kirchenraums in das Gottesdienstgeschehen einbezogen.

 

Es sind etliche hundert Sitzplätze, die die Kirche bietet, so dass die sonntägliche Gottesdienstgemeinde nur einen Teil von ihnen benötigt - aber sie verliert sich nicht im Kirchenraum, wie man das woanders durchaus erleben kann. Es war - im Rahmen eines normalen Sonntagsgottesdienstes an Palmarum - ein Salbungsgottesdienst, an dem ich - von einer Mitarbeiterin eingeladen - teilgenommen habe. Salbungsgottesdienste sind durchaus (noch) nicht gewöhnlich in der rheinischen Kirche. In der Kreuzeskirchengemeinde findet ein solcher Gottesdienst zweimal im Jahr statt.

 

Die Gemeinde kennt das Ritual der Salbung, weiß etwas damit anzufangen, das war zu spüren. Von der äußeren Form war es ein gewohnter evangelischer Gottesdienst, die Lieder jedoch stammten nicht aus unserem Gesangbuch, sondern waren - mir zum größeren Teil vertraute - Anbetungslieder. Gesungen wurden sie von kleinen Chor mit begleitenden Instrumenten, der aber nicht aus der Gemeinde stammte und dessen Mitglieder aus verschiedenen Gemeinden im Ruhrgebiet kamen. Evangelium und Predigttext war die Geschichte der Salbung in Betanien, eines der Evangelientexte des Palmsonntags, die der Pfarrer auf die Salbung hin auslegte. Eine weitere Pfarrerin der Gemeinde wirkte an der Liturgie mit. Beide trugen die violette Stola der Passionszeit, die sie aber nach der Predigt ablegten, als sie sich mit einem Team von (ich glaube) vier weiteren Personen am Altar sammelten. Diese legten ein weißes, selbstgenähtes, stola-artiges Tuch um, das sie als Mitwirkende bei der Salbung kennzeichnet. Wie beim Abendmahl kamen wir nach vorne und sammelten uns vor den Altar. Der Pfarrer und zwei Mitarbeitende nahmen die Salbung vor; eine Person hielt die Schale mit dem Salböl, eine weitere stand hinter der Person und legte die Hände, gewissermaßen zur "Rückenstärkung", auf die Schultern. Ein Kreuz aus Salbe wurde auf die Stirn und die Handinnenflächen gezeichnet. Dann nahm der Pfarrer beide Hände in seine eigenen Hände, faltete sie zusammen und sprach einen Segen.

 

Das alles vollzog sich in einer unaufgeregten, ruhigen und konzentrierten Atmosphäre. Der größere Teil der Gottesdienstgemeinde nahm daran teil, nur wenige blieben währenddessen auf ihren Plätzen. Der Gottesdienst endete, wie gewohnt mit dem Segen, und mündete, aus Anlass eines Geburtstages, in einen kleinen Empfang im hinteren Teil der Kirche, der dafür entsprechend eingerichtet war. 

 

Was mich, im positiven Sinne, überrascht hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Salbung, die seit einigen Jahrzehnten, wenn auch noch nicht sehr häufig, in unserer Kirche praktiziert wird, in einen normalen evangelischen Sonntagsgottesdienst integriert wird. Da war nichts Aufgesetztes, nichts Peinliches oder Befremdendes, wie es leicht bei nicht ausreichender Vorbereitung auch hätte passieren können. Die Botschaft der Salbung, die auch in diesem Gottesdienst gut rüberkam, lautet: Es soll dir gut gehen. Du sollst heil werden. Du sollst wachsen, an Stärke gewinnen. Gott nimmt dich in seinen Schutz. So gebrochen du sein magst, welche Verletzungen und Verbitterungen du auch mit dir herumträgst - steh auf und geh! Damit wird ein Aspekt des christlichen Glaubens unterstrichen, der zuweilen in unseren Gottesdiensten zu kurz kommt und der auf diese Weise angemessen gewürdigt wird. Deswegen ist es zu wünschen, dass ein solcher Gottesdienst zum Vorbild auch für andere Gemeinden wird.

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