Jakob, du Arschloch!

Predigt am 14. Sonntag n.Tr. (mit Konfirmations-Jubiläum) 


Es gibt ja so ein paar hebräische Worte in der Bibel, die nicht ins Deutsche übersetzt worden und unverändert in unsere Sprache eingewandert sind, z. B. Amen, Halleluja oder Hosianna. Ein weiteres Wort ist der Gott Zebaoth. Zebaoth, das sind die Heerscharen Gottes, die Heerscharen der Engel. 


Die muss man sich nicht unbedingt als eine militärische Armee vorstellen, vielmehr als einen riesigen himmlischen Stab, mit dessen Hilfe Gott seine Schöpfung in Bewegung hält. Mit dem Bild von der Leiter erhält Jakob gewissermaßen einen Einblick hinter die Kulissen. Er nimmt wahr, welche Heerscharen zwischen ihm und Gott in Bewegung sind. Eine ständige Bewegung, ein ständiger Austausch zwischen ihm und Gott. Jakobs kleine Geschichte wird sichtbar als Teil des großen, unendlichen Geschichte Gottes. Dabei herrscht keine emsige Geschäftigkeit, kein hektisches Treiben. Die Boten Gottes steigen in einem beständigen Strom herab, erfüllen ihren Auftrag und steigen wieder auf zu Gott. Über der Szene liegt eine feierliche Ruhe. Wenn man sie sich eine Weile anschaut, hat man den Eindruck, so ist es gut, so soll es sein. Als Jakob aufwacht, spürt er in sich einen tiefen Frieden und weiß mit großer Klarheit: Gott ist hier gewesen. Er errichtet ein Denkmal, später soll daraus ein Gotteshaus werden, Beth-El heißt ins Deutsche übersetzt schlicht: Gottes Haus.


Was wir hier erleben, ist Jakobs Konfirmation. Konfirmation – wir denken auch an das englische confirmation, to confirm – heißt Bestätigung, Vergewisserung. Gott bestätigt sein Wort an Jakob, den Segen, der ihm gegeben wurde. Man könnte meinen, dass Jakob eine besonders frommer ist. Wer so einen Traum hat, muss für sowas eine Neigung haben.


Das Gegenteil ist der Fall. Der Traum, den Jakob träumt, passt wie das Auge auf die Faust, also gar nicht. Er ist völlig erschöpft, verängstigt, mit den Nerven am Ende. Er ist auf der Flucht und dass er fliehen muss, das hat er sich selbst zu zuschreiben. Er hat sich auf perfide Weise den Segen erschlichen, der seinem Bruder Esau zustand. Er hat seinen alten Vater dreist belogen. Damit hat er auch Gott selbst betrogen. Er hat für das Auseinanderbrechen seiner Familie gesorgt, kurz vor dem nahen Tod seines Vaters. Jakob ist ein echtes Miststück. Ich finde ihn überhaupt nicht sympathisch. Er ist durchtrieben, raffiniert, stets auf den eigenen Vorteil bedacht, rücksichtslos. Auch hinterher wird er nicht frömmer. Ausgerechnet er räumt einen solchen Traum. Wie kann das denn sein!?


Dass es so ist, dass das nicht nur sein kann, sondern sein muss, hat mit Gott selbst zu tun. Eine der Eigenschaften Gottes ist, dass er absolut verlässlich ist. Das Wort, das er einmal gesagt hat, wird er nie zurücknehmen. Den Segen, den er einmal einem Menschen gegeben hat, wird er ihm nie wieder entziehen. Auch dann nicht, wenn es unter solch zweifelhaften Umständen geschehen ist. Gott hat sein Wort Jakob gegeben. Er fühlt sich daran gebunden. Wir können es an Israel sehen. Mit Israel hat er seinen Bund geschlossen, am Sinai. Dass dieser Bund noch immer hält, obwohl die Israeliten nicht bessere oder schlechtere Menschen sind als wir, das sieht man daran, dass Israel immer noch da ist, trotz Verachtung, Vertreibung, Zerstreuung, Verfolgung, Ermordung. Man mag schwierig finden, was da politisch abgeht, aber Israel lebt. Auch mit der Kirche hat er seinen Bund geschlossen, den Neuen Bund, wir werden seiner gleich in Abendmahl gedenken. Mag sie müde geworden sein, zumindest in unsren Breiten, aber noch immer bringt die Kirche immer wieder neues Leben bevor. Auch der ganzen Schöpfung hat Gott sein Wort gegen und seinen Bund mit ihr geschlossen am Ende der Noah-Geschichte wird das erzählt. Das ist gerade in diesen Tagen wichtig zu wissen. Sie ist ist tief beschädigt, aber sie lebt. Gott lässt sich durch die Menschen nicht von der Treue zu seinem Bund abhalten. 


Bei Ihrer Konfirmation sind Sie daran erinnert worden, das Gott dem Wort, dass er Ihnen bei Ihrer Taufe gegeben hat, treu bleiben wird. Er wird es nicht zurücknehmen und sich dran halten, komme was wolle. Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. 


Auch Jakob hat er seinen Segen nicht wieder entzogen. Er ist tatsächlich gesegnet worden. Er wurde ein reicher Mann mit großer Familie und langem Leben. Ja, wahrlich, er ist gesegnet worden. Vielleicht hat er die Geschichte mit Esau und gestohlenen Segen bald vergessen.

Aber Gott hat diese Geschichte nicht vergessen. Gott fühlt sich an sein Wort gebunden und nimmt es nicht zurück. Was aber nicht heißt, das Gott lediglich gesagt hätte: Schwamm drüber. Gott ist verlässlich, aber nicht vergesslich. Es sollten noch viele Jahre und Jahrzehnte vergehen. Dann musste Jakob aus verschiedenen Gründen zurück in die alte Heimat und die würde er nach so langer Zeit seinen Bruder wiedersehen. Zuvor aber würden sich Gott und Jakob wieder begegnen. Und da würde sich zeigen, wie tief verletzt Gott selbst durch die Jakobs Aktion damals verletzt war. Und Gott lässt seine ganze Wut an Jakob raus. Das geschah am Fluss Jabbok. Jakob hatte seine Familie, seine Mitarbeiter, seine Herden schon über den Fluss geschickt und er bleib allein zurück. Da kam die ganze Geschichte von damals wieder hoch. Auch Jakob hatte sie nicht in Wirklichkeit vergessen.  Er wurde brutal angegriffen von fremden Gestalt, sein Leben stand auf der Kippe. Gott hätte Jakob liebend gerne vernichtet. Er war so wütend, so verletzt. Er hat es versucht. Aber Jakob war ihm zu stark. Das muss man sich mal vorstellen. Jakob war Gott zu stark. Weil er Gottes Wort hatte, Gottes Segen, konnte er ihn nicht überwinden. Jakob hatte ihm Segen wie einen Ausweis vorgezeigt. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Eine Patt Situation. Beide kriegten sich nicht unter und beide kamen nicht voneinander los. Dann dämmerte langsam der Morgen. Da haben sie miteinander Frieden geschlossen. Beide sind nicht ohne Wunden aus diesen Kampf herausgegangen, Gott nicht und Jakob auch nicht, der seitdem hinkt. Aber jetzt endlich war alles gut, und auch Jakob und Esau haben sich versöhnt. Was nur möglich war, weil Gott und Jakob es vorher taten.


Was wir auf dieser Geschichte lernen? Wie gesagt: Gott ist verlässlich, aber nicht vergesslich. Gott lässt uns nicht los und gibt uns preis, um keinen Preis der Welt. Was aber noch nicht heißt, dass Frieden zwischen uns herrscht. Dass wir offen miteinander reden, uns aussprechen, manchmal auch auskotzen, wir sagen Gott, warum wir wütend auf ihn sind und er sagt uns, warum er wütend auf uns ist. Und dann schließen wir Frieden. Und dann geht uns, wie am Ende der Geschichte von Jakobs Gotteskampf, die Sonne auf.