Die Landessynode hat auf ihrer letzten Tagung zu Artikel 18 der Kirchenordnung einen interessanten Absatz hinzugefügt:
"Das Presbyterium soll zusätzlich ein Mitglied der Kirchengemeinde in das Presbyterium berufen, das zum Zeitpunkt der Berufung das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und die Voraussetzungen des Befähigung zum Presbyteramt, mit Ausnahme des Mindestalters, erfüllt." Unter-18-Jährige nehmen dann mit beratender Stimme teil. Der Mitgliederbestand des Presbyteriums soll entsprechend erweitert werden. Dabei handelt es sich um eine "Soll"-Bestimmung: "Die Berufung ist damit grundsätzlich verpflichtend. In begründeten Ausnahmefällen kann sie unterbleiben. Eine solche Ausnahme liegt nicht schon dann vor, wenn bereits über die Wahl junge Menschen in das Presbyterium gelangt sind."
Man muss sich mal bildlich vorstellen, was jetzt geschieht. Wie gesagt, die Presbyterien sind verpflichtet, ein weiteres Mitglied zu benennen. Es soll keine 27 Jahre alt sein: Wer könnte denn da in Frage kommen? Die Presbyterien werden sich in ihrer Gemeinde umschauen. Wahrscheinlich werden sie erst mal niemanden entdecken, der dafür in Frage kommt. Das Interesse an diesem Gremium wird unter den Jugendlichen in der Gemeinde nicht sonderlich ausgeprägt sein. Kaum jemand wird wissen, was er da soll.
Aber, siehe da, vielleicht findet sich doch in der einen oder anderen Gemeinde eine Jugendliche, die sich breitschlagen lässt. Und was passiert dann? Sie wird sich genau das tun und sich genau so verhalten, wie das im Presbyterium von ihr erwartet wird. Denn schließlich ist es das Presbyterium selbst, das sie berufen hat. Sie wird sich gewiss nicht querlegen. Alle sollen hinterher feststellen, wie nett sie doch ist. Sie wird also die besten Chancen haben, die Karriere eine angepassten Vorzeigejugendlichen anzutreten. Sie wird kaum in der Lage sein, ihren eigenen Standpunkt ohne Rücksicht auf an sie gestellte Erwartungen zu entwickeln.
Es ist mit Sicherheit ein Gewinn für das Presbyterium, wenn ihm möglichst (viele) junge Menschen angehören und wenn darüber hinaus das Durchschnittsalter der Presbyterinnen und Presbyter insgesamt gesenkt wird. Aber glaubt jemand im Ernst, man würde so die Stimme der Jugend in der Kirche hörbar machen?
Wo gibt es das eigentlich sonst im Leben, dass ein Leitungsgremium sich selbst erweitern kann - in diesem Fall sogar soll? Ein Stadtrat oder Landtag oder der Bundestag kann ja auch nicht zusätzliche Abgeordnete berufen, nicht einmal ein normaler Vereinsvorstand kann ohne Befragung der Mitglieder einfach weitere Vorstandsmitglieder benennen. Aber das war ja schon immer Brauch, wenn während einer Wahlperiode ein Presbyteriumsmitglied ausscheidet, durch die sogenannte Kooptation.
Das ist nur ein Beispiel von etlichen, die deutlich machen, dass die Evangelische Kirche (hier rede ich von der im Rheinland) alles andere als eine demokratische Veranstaltung ist. Ist das eigentlich bekannt, dass viele Mitglieder des Presbyterien gar nicht gewählt sind (was immer dann der Fall ist, wenn nur so viel oder weniger kandidiert haben, wie Plätze zu besetzen sind - und das ist in den meisten Fällen so)? Dass der Vorsitzende oder mindestens der stellvertretende Vorsitzende Pfarrer oder Pfarrerin sein muss? Dass die Kirchenordnung keineswegs Transparenz, Öffentlichkeit der Sitzungen oder Veröffentlichung des Protokolls vorschreibt? Dass auch die Synodalen nicht gewählt, sondern lediglich delegiert sind, dass da ein Teil auf jeden Fall Pfarrer oder Pfarrerin sein muss und die Sup's ohnehin geborene Mitglieder sind? Dass Präses und Kirchenleitung auch die Synode leiten und die Synode dem Präses oder der Kirchenleitung niemals kritisch gegenüber treten kann?
Man könnte noch weitere Beispiele nennen. Wer immer noch der Meinung ist, die evangelische Kirche sei demokratisch oder basisorientiert, sollte sie sich genau angucken. Sie ist es mitnichten. Wenn sich dies weder von der katholischen noch von der evangelischen Kirche sagen lässt, dann wäre es eine spannende Aufgabe, zu überlegen: Wie sieht eine durch und durch demokratische Kirche eigentlich aus. Und damit fängt die Arbeit erst an.
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