Sonntagsmeditation über Lukas 1,26-38 (4. Advent, 19. 12. 2021, IV. Reihe)
In Römer 1,4 ist von Jesus die Rede, "der eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft nach dem Geist, der da heiligt." Hier ist es also der Heilige Geist, der Jesus als den Sohn Gottes gewissermaßen hervorbringt. Anders als im Hebräischen ist der Heilige Geist weder im Griechischen noch im Deutschen eine Frau. Manchmal frage ich mich, ob das ein Grund ist, dass in den Jahrhunderten nach dem Neuen Testament Maria eine immer größere Bedeutung gewinnt - als diejenige, die den Sohn Gottes hervorbringt, bis hin zum Konzil von Ephesus im Jahr 525, das Maria "theotokos" nennt, also "Gottesgebärerin." Maria als Bild für den Heiligen Geist. Maria als die weibliche, schöpferische, mütterliche Seite Gottes: Diese Attribute lassen sich auch dem Heiligen Geist, der ein Frau ist, zuordnen (Die inzwischen häufig anzutreffende Rede von der "Heiligen Geistkraft" löst übrigens das Problem nicht, weil diese genau so abstrakt ist und, anders als Maria, kein Gesicht hat). Dann wäre überall dort, wo vom Heiligen Geist, Maria am Werk, und überall wo sie, also der Heilige Geist, also Maria, am Werk ist, da wird Christus hervorgebracht.
Wenn dem so ist, dann repräsentiert Maria eine Seite Gottes. Dann ist es auch - anders als Martin Luther das gesehen hat - legitim, die Gottesbeziehung über Maria zu suchen. Für viele scheint Gott leichter zugänglich zu sein als z. B. über den Gekreuzigten. Das zu diskutieren, mag eine Geschmacksfrage sein, aber es als unbiblisch oder unevangelisch zu bezeichnen, wäre nicht angemessen. Paul McCartneys Lied "Let it be" beschreibt diese Art der Kommunikation mit Gott. Es "so sein zu lassen" wie es ist, es geschehen zu lassen, zuzulassen ist ja ein Anliegen der Mystik. Sie will nichts tun, nichts verändern, nichts verbessern, nichts verhindern, sondern das, was ist, schauen, annehmen, empfangen. So mag für den einen oder die andere der Zugang zu Gott etwas leichter sein. Allerdings handelt es sich nicht um mehr als einen Zugang. Eine umfassende Rede von Gott kann das allerdings nicht sein, ist damit aber wohl auch nicht gemeint (In der römisch-katholischen Kirche speist sich die Marienverehrung vor allem aus der Volksfrömmigkeit, die damit nicht selten in Opposition zur Amtskirche getreten ist, von dieser aber dann irgendwann übernommen wurde. In der evangelischen Kirche ist die Marienfrömmigkeit vor allem aus einem antikatholischen Impuls nicht aufgegriffen worden, von der Sache her hätte sie durchaus auch bei uns ein Lebensrecht. Da sich dieses Thema aber aber stets mit der Frage nach der Heiligenverehrung verbindet, stehen die Chancen für eine evangelische Marienfrömmigkeit eher schlecht; eine solche hat allerdings für die evangelische Frömmigkeit auch keine Schlüsselrolle, sondern wäre eher als Bereicherung zu verstehen.)
Die Quellen der Marienfrömmigkeit sind also weniger bei der tatsächliche Maria (=Mirjam), der Mutter Jesus zu suchen als in der spirituellen Entwicklung der nachbiblischen Jahrhunderte. Von der Mutter Jesu selbst erfahren wir nicht allzuviel. Markus weist auf das gespannte Verhältnis zwischen Jesus und seiner Familie hin, vielleicht auch Joh 2,4. Dann aber wäre Joh 19,25 ein Hinweis darauf, dass die Verbindung Jesu zu seine Mutter nie abgerissen ist. Nach Kreuz und Auferstehung gehört Maria - wie einige von Jesu Brüdern - aber dann zum ersten Kreis der neuen Gemeinde. Vielleicht hat sie in diesem ersten Kreis eine wichtige Rolle oder gar eine Führungsrolle gehabt, aber später wird sie nicht mehr erwähnt, vielleicht, weil sie nicht mehr so lange gelebt hat. Lukas, der Geschichtenerzähler unter den Evangelisten, hat ihr aber in den ersten beiden Kapiteln seines Evangeliums mit den Kindheitsgeschichten ein Denkmal gesetzt.
Ein paar Hinweise in eigener Sache: 99% dessen, was ich hier schreibe, ist irgendwo geklaut. Da ich aber weder eine Doktorarbeit schreibe noch Politiker werden will, verzichte ich auf Quellenangaben (Meine Hand-Bibliothek sieht so aus). Wer genaueres wissen will, kann mich gerne fragen. Einige wird es stören, dass ich hier nicht gendere. Das vermeide ich hier, um die Lesbarkeit der Texte nicht zu beeinträchtigen. Die vorhergehenden Sonntagsmeditationen (ab dem 22. August 2021) finden sie hier.
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