"Wir müssen es schaffen, vor die Bugwelle zu kommen": so lautet das derzeitige Motto des Kirchenkreises Düsseldorf. Mit "Bugwelle" sind die zahlreichen Fusionen von evangelischen Gemeinden und Einrichtungen gemeint, die schon vollzogen wurden oder für die nächsten Jahre geplant sind, verbunden mit der Schließung von Kirchen und Gebäuden, mit schwelenden Konflikten und schmerzhaften Abschieden. Die Grundidee ist, statt vieler Fusionen, die sich noch Jahre hinziehen würden, sobald wie möglich eine Fusion aller noch übriggebliebenen Gemeinden durchzuführen, um dann erst mal mit diesem Thema durch zu sein und Ruhe haben.
Vorgestellt wurde diese Idee beim "Meet and Greet" in der Johanneskirche, zu dem sich ca. 80 Pfarrer, Presbyterinnen, Mitarbeiter und Synodale, also kirchliche Insider, am 14. August in der Johanneskirche trafen. In die Öffentlichkeit ist dieser Plan noch nicht vorgedrungen und auch die Presbyterien (also die Gemeindeleitungen) hatten bisher noch keine Gelegenheit, festzustellen, ob sie diesen Prozess mittragen wollen.
Gleichwohl scheint es sich hier um ein schlüssiges Konzept zu handeln, was der Kirchenkreis derzeit ausbrütet. Die Abwicklung einer Institution oder Organisation kann nur dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn sie von zentraler Stelle aus geschieht und nur wenige Personen, die aber mit ausreichenden Vollmachten ausgestattet sind, gewissenhaft daran mitwirken. Und es braucht Zeit, Geduld und Frustrationstoleranz. Der Versuch, so etwas übers Knie zu brechen, würde nur erneut Frust hervorrufen. Den kann man vermeiden.
Man muss sich nur im Klaren sein, dass es sich hier um Abwicklung handelt. Von Gemeindeaufbau, Weckung und Ausbreitung des christlichen Glaubens und Wachstum der Kirche ist nicht mehr die Rede. Doch auch ein Rückbau muss verantwortungsvoll organisiert werden. Das ist kein Anlass für Trauerarbeit oder Verbitterung. Das Wachstum von Glauben und Kirche wird stattfinden, so oder so - nur eben nicht da, wo wir es bis heute vermutet und erwartet hatten. Wir werden überrascht sein, wo das geschehen wird.
Diese Vereinigung der 17 Düsseldorfer Kirchengemeinden zu einer Groß-Kirchengemeinde, die sich flächenmäßig mit dem Kirchenkreis deckt, ist dann nämlich keineswegs abwegig, wenn unter dem Dach des Kirchenkreises (bzw. dann der "Kirchengemeinde Düsseldorf") an die Stelle der aufzulösenden Parochialgemeinden Personalgemeinden treten - Gemeinden also, die sich von selbst bilden, die sich selbst verwalten, finanzieren und verantworten, und die nach Größe, Prägung und innerer Ordnung sehr unterschiedlich sein können.
Solche Gemeinden ließen sich analog zum Vereinsrecht oder gar als tatsächliche eingetragene Vereine gestalten. Die Anzahl solcher Gemeinden wäre nicht festgelegt. Die Mitgliedschaft in diesen Gemeinden hinge nicht mehr von der Wohnadresse ab, sondern von der eigenen Entscheidung, dazugehören zu wollen. Um sich selbst zu finanzieren, übernähmen sie die Eigenverantwortung, was dann mit der Kirchensteuer verrechnet werden müsste. Pfarrerinnen und Pfarrer würden diese Gemeinden nicht mehr leiten, sondern beraten (ähnlich, wie das analog bei jüdischen Rabbinerinnen und Rabbinern der Fall ist). Sie könnten für mehrere Gemeinden, auch wechselnd, Sorge tragen und blieben beim Kirchenkreis oder bei der Landeskirche angestellt. Die Groß-Kirchengemeinde wäre dann (nicht mehr als) das Dach für diese Gemeinden; der Kirchenkreis bliebe für alle anderen Einrichtungen und kirchenkreistypischen Aufgaben zuständig. Wichtig ist vor allem, dass Initiative, Verantwortung und Rechenschaft bei diesen Personalgemeinden selbst liegt. Die "Kirchengemeinde Düsseldorf" soll Aufsicht führen, beraten, nach außen repräsentieren, aber sie darf nicht in die inneren Angelegenheiten der Personalgemeinden eingreifen. Das hat natürlich zur Folge dass diese auch scheitern, sich auflösen oder mit anderen Gemeinden vereinigen können.
So oder so: Mit dieser Idee einer sich mit dem Kirchenkreis flächendeckenden Großkirchengemeinde zeigen sich ganz neue Möglichkeiten der Kirchengestaltung, die bisher so noch nicht erkennbar waren. Wir sollten den Mut haben, uns ihr nicht von vorneherein zu verschließen, sie weiterzudenken, um am Ende vielleicht neue, bisher noch nicht gegangene Wege zu beschreiten.
Kommentar schreiben