Drittes Ritual: BETEN

Einführung 

Unser Gott schwebt nicht apathisch, ungerührt, gleichgültig, schweigsam und unerreichbar über dem Ganzen seiner Schöpfung. Die Geschichte der Kreuzigung Jesu macht deutlich, dass Gott eben nicht allmächtig ist, sondern verwundbar, verletzlich, schwach, ohnmächtig. Seit er den Menschen schuf, ist er auf ihn angewiesen. Er braucht ihn und ohne seine Mitwirkung und Verantwortung ist seine Schöpfung gefährdet (1. Mose 2,15). Ihr Wohl und Wehe entscheidet sich auch daran, ob Gott und wir miteinander ins Gespräch kommen und es gäbe heute kein Christentum mehr, wenn dies nicht in allen Zeiten ungezählten Menschen auf sehr unterschiedliche Weise widerfahren wäre. Das schließt die Erfahrung von Sprachlosigkeit und Sprachunfähigkeit sowie das Erlebnis nicht aus, dass der Kontakt zwischen uns und Gott unterbrochen oder abgebrochen ist. Manchmal finden wir die Worte nicht, um mit Gott zu reden (Röm 8,26) oder wir hören nicht mehr, ob Gott noch mit uns spricht. Dass die Menschen Gott immer wieder aus den Augen verlieren und umgekehrt, spiegelt sich in vielfältigen Erfahrungen, die sie machen, wider. Wenn es aber gelingt, dass Gott und wir miteinander ins Gespräch kommen, setzt dies eine schöpferische, heilsame und belebende Dynamik in Gang, die natürlich durch menschliche Eigenmächtigkeit wieder gestört werden kann. Schweigen und Hören, aber auch die Worte der Psalmen und die Lieder des Gesangbuchs sind in der Lage, uns die Sprache dafür bereit zu stellen. 

 

ÜBUNGEN ZUM PERSÖNLICHEN BETEN UND ZUM GEBET MIT HILFE DER PSALMEN 

 

„Du Gott Israels, im Namen deines Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus rufe ich dich an: Sende uns deinen Geist.“ – Mit diesen Worten pflege ich mein persönliches, frei gesprochenes Gebet zu beginnen. Ich spreche dann mit Gott, so als säße er mir gegenüber und hörte mir zu. Ich brauche dazu keine besondere Sprache, etwa liturgisch oder poetisch geprägt. Vielmehr rede ich so, wie ich auch Menschen gegenüber zu reden gewohnt bin. Es kommt aber – nicht selten – vor, dass ich gar nichts sage, sondern Gott in mein Innerstes schauen lasse. Er weiß, was ich brauche, was mir guttut und was mir schadet. Manchmal hilft es, Gott einen Brief zu schreiben, schriftlich formuliert sich vieles leichter. 

 

Für die Einübung des Gebetes in der Gruppe nenne ich hier drei Möglichkeiten:  

  • Teelichter oder andere kleine Kerzen stehen bereit, ggf. eine flache Schale mit Sand, auf der sie abgestellt werden können. Jeder, der teilnimmt, zündet eine an und nennt sein Anliegen („Ich bete für…, ich denke an…“) und stellt die Kerze dann an ihren Platz. 

  • Ein Psalm, etwa der Psalm der Woche, wird gelesen, ggf. auch zweimal. Dann wird, von eine Klangschale eingeleitet, eine Stille von wenigen Minuten gehalten, in der jeder den Psalm für sich meditieren kann. Nachdem die Klangschale zum zweiten Mal angeschlagen worden ist, besteht jetzt die Möglichkeit, einen Vers oder auch nur eine Formulierung noch einmal laut auszusprechen (ggf. auch wiederholt) und daran eigenen Worte des Gebets anzuschließen.  

  • Bekannte und geprägte („dick gedruckte“) Verse aus den Psalmen werden auf kleinen Zetteln in einem kleinen Korb o. ä bereitgehalten. Jeder sucht sich ein Wort, das in anspricht und ergänzt es auf dafür vorgesehenem Platz mit eigenen Worten. Danach werden von allen das jeweilige Psalmwort und die eigenen Worte vorgetragen. Dies lässt sich auch mit Strophen des Gesangbuchs so halten. 

Die Gebetszeit kann mit dem gemeinsam gesprochenen Vaterunser abgeschlossen werden. 

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