Viertes Ritual: FEIERN

Es ist eigentümlich, dass im Judentum Gott zwar einen Namen hat, aber der wird mit Respekt vor der Heiligkeit Gottes dort nicht gebraucht. Auch wir haben diesen Namen für unser Gebet nicht übernommen. Wir sagen einfach "Gott" zu ihm und reden ihn auch so an. Dennoch beten wir, "Dein Name werde geheiligt". In Erinnerung daran, dass Abraham einen Altar baute, um den Namen Gottes anzurufen (1. Mose 12,8) der Tempel in Jerusalem einst als Wohnort für den Namen Gottes gebaut wurde (1. Könige 8,20), um ihn dort anzurufen, versammeln wir uns zum Gottesdienst, in dem wir ebenfalls Gott anrufen, nicht mit seinem Namen, aber im Namen Jesu, also im Namen dessen, durch den wir als Nicht-Juden den Zugang zum Gott Israels haben und ohne den wir ihn nicht hätten. Wir legen die hebräische Bibel, die Thora und die Propheten aus, ergänzt durch das Zeugnis der Apostel und Evangelisten als das Wort Gottes und sprechen in der Verkündigung aus, was wir von Gott als Wort an seine Gemeinde und an die Öffentlichkeit meinen, vernommen zu haben. Die Sakramente, also Taufe und Abendmahl, sind die Zeichen des neuen Bundes, den Gott - neben dem Sinai-Bund mit Israel - mit uns geschlossen hat. Wir feiern sie, um an diesen neuen Bund und ihn zu bestätigen und zu bekräftigen. Und schließlich ist der Gottesdienst der Ort des Segens, die ganze Gemeinde oder einzelne Menschen werden vor Gott gestellt, gesegnet und ihm anvertraut. Das Grund-Ritual des Gottesdienstes, so unterschiedlich die Gestalten sind, in denen es gefeiert wird, von den "zwei oder drei" in einem Hausgottesdienst zu Corona-Zeiten bis hin zum Hochamt in Kathedralen und Domen, hat immer die gleiche Grundstruktur, bestehend aus Anrufung, Verkündigung, Bundeserneuerung und Segen. Es macht den christlichen Glauben öffentlich und zu einer gemeinsamen Angelegenheit und gibt ihm so die Möglichkeit, in das öffentliche Leben auszustrahlen. 

  

GESPRÄCH: WELCHE ROLLE SPIELT DER SONNTAGSGOTTESDIENST IN MEINER GEMEIDNE - UND WELCHE ICH IN IHM?

 

 

Jede evangelischen Ortsgemeinde hat einen Ort, an dem sie in aller Regel am Sonntagmorgen öffentlich und für die Allgemeinheit zugänglich Gottesdienst feiert. In diesem Sinne handelt es sich hier um einen heiligen Ort. Während eine katholische Kirche durch das “Allerheiligste” als Aufbewahrungsort des zum Leib Christi gewandelten Brotes gekennzeichnet wird, ist es in der evangelischen Kirche die aufgeschlagene Bibel auf dem Altar; wenn es sich um eine “offene Kirche” handelt, brennt dort zuweilen eine Kerze. Für diesen Ort gilt, was Jakob nach seinem Traum von der Himmelsleiter durch den Kopf gegangen ist (Gen 28,16f.): “Der Herr ist an dieser Stätte und ich wusste es nicht... Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.” Der Raum zwischen dem Altar, der Kanzel und dem Taufbecken ist für die Begegnung zwischen Gott und Mensch ausgesondert. Hier wird, im Namen Jesu, Gott angerufen. Hier wird das Wort Gottes ausgerichtet. Hier wird in Abendmahl und Taufe der (neue) Bund bekräftigt, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Hier werden Menschen, etwa anlässlich einer Taufe, einer Konfirmation, einer Trauung, einer Beauftragung, einer Ordination, gesegnet. Wir machen die Würde dieses Ortes durch unser Verhalten, durch Schweigen und Innehalten sichtbar. Dass evangelischen Kirchen außerhalb des Gottesdienstes oft nicht geöffnet sind, steht im Widerspruch zu ihrer Funktion, mitten im Leben der Menschen ein Ort für die Begegnung zwischen Gott und Mensch zu sein, auch dann, wenn nicht gerade Gottesdienst gefeiert werden. Jedoch gibt es inzwischen auch etliche evangelische Kirchen, die tagsüber geöffnet sind. 

 

Der Gottesdienst ist durch die Anrufung Gottes im Namen Jesu, die Ausrichtung seines Wortes an seine Gemeinde und “an alles Volk”, die Bestätigung des neuen Bundes in Taufe und Abendmahl und den Segen gekennzeichnet. Für die Anrufung spielen Gesang und Musik und die Orgel eine zentrale Rolle. Während im katholischen Gottesdienst die Wandlung der zentrale Augenblick in großer Sammlung ist, ist dies im evangelischen Gottesdienst der Moment, wenn das Vaterunser gesprochen wird und dazu geläutet wird – so wird das Gebet der Gemeinde gewissermaßen öffentlich und in der Stadt bzw. in dem Dorf hörbar. Die Verkündigung des Wortes geschieht nicht schon auf der Kanzel, während die Pfarrerin oder der Pfarrer (oder wer sonst) predigt, sondern erst dort, wo sie von den Anwesenden gehört wird und diese sich fragen, ob sie hier Gottes Wort hören und was Ihnen gesagt wird. Predigen und Predigthören gehören untrennbar zusammen und die Gemeinde hat ausdrücklich den Auftrag zu prüfen, ob sie in der Predigt Gottes Wort gehört hat, und festzustellen, was es sagt. Durch Liturgie und Lieder ist sie an der Anrufung Gottes beteiligt. Indem sie Brot und Wein empfangen, bekennen sie sich öffentlich zu Jesus Christus als ihren Herrn, durch den der Gott Israels auch zu unserem Gott geworden ist. Sie unterstellen sich dem Segen Gottes, der in jedem Gottesdienst, meist an dessen Ende, ausgesprochen wird.  

 

Die an diesem Treffen Teilnehmenden haben den Auftrag, sich darüber auszutauschen und festzuhalten: Welche Rolle spielt der Gottesdienst bei mir und welche spiele ich in ihm? Welche Bedeutung hat er für mich? Finde ich Heimat in ihm? Wie bin ich an ihm beteiligt?  

 

HAUSGOTTESDIENST ALS MAHLZEIT MIT BROTBRECHEN

 

Es kann jedoch immer wieder vorkommen, dass aus den unterschiedlichsten Gründen der Gottesdienst dem Glauben und den Glaubenden nicht in nötigem Maße Heimat bieten kann – sei es, weil die Kirche zu weit weg ist, um sie sonntags regelmäßig zu besuchen, sei es, dass die gottesdienstliche Situation unbefriedigend ist, sei es, dass äußere Umstände die Teilnahme am Gottesdienst erschweren, oder sei es, dass persönliche Gründe sie nicht ermöglichen. Als Alternative oder Ergänzung zum öffentlichen Gottesdienst in der Kirche bietet sich der Hausgottesdienst an, der im Wohnzimmer einer Privatwohnung oder in einem entsprechenden Raum gefeiert werden. Dabei handelt es sich nicht um einen öffentlichen, für die Allgemeinheit zugänglichen Gottesdienst. Die Teilnahme daran geschieht aufgrund einer persönlichen Einladung oder Verabredung. 

 

Wie am Anfang der Geschichte des Gottesdienstes, bei den ersten Christen in Jerusalem, wird der Gottesdienst am Tisch gefeiert, als Mahlzeit, bei der gegessen und getrunken wird – „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“. Aber auch der Gottesdienst als Tischgemeinschaft in privater Umgebung enthält alle Elemente, die einen Gottesdienst zum Gottesdienst machen – Anrufung, Verkündigung, Abendmahl, Segen. Das wirft zunächst die Frage auf, ob die Feier des Abendmahls zulässig ist, wenn keine ordinierte Person anwesend ist, was in diesem Rahmen ja nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Tatsächlich verstößt dies nicht gegen die Kirchenordnung, denn die Regel, dass das Abendmahl nur von Ordinierten gefeiert werden soll, geht zurück auf dass Augsburger Bekenntnis von 1530 und dieses bezieht ausdrücklich auf den öffentlichen Gottesdienst („Vom kirchlichen Amt wird gelehrt, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung“, Artikel 14). Niemandem kann es verwehrt werden, im privaten, nichtöffentlichen Raum Brot und Wein miteinander zu teilen. Damit das Brotbrechen von Abendmahl des öffentlichen Gottesdienstes im kirchenrechtlichen Sinn unterschieden wird, sollte hier in der Tat auch vom „Brotbrechen“ gesprochen werden. Eine ggf. anwesende ordinierte Person hat natürlich die Möglichkeit, das Heilige Abendmahl nach der Ordnung des Gottesdienstbuches zu halten. 

 

Gott wird im Namen Jesu mit Hilfe eines oder mehrerer Liedern – falls das Singen keine Mühe macht – und bzw. oder mit einem oder mehreren Psalmen angerufen, mit Gebeten aus der Liturgie oder auch mit frei gesprochenen Gebeten. An die Stelle der Predigt im öffentlichen Gottesdienst tritt hier das Bibelgespräch, das von einer Person vorbereitet und geleitet wird. Bei der gemeinsamen Mahlzeit besteht die Gelegenheit, das Gespräch fortzusetzen.  

Wichtig ist, dass – folgt man den Evangelisten Markus, Lukas und Matthäus – das letzte Mal Jesu mit seinen Jüngern, in dessen Verlauf er ihnen den Auftrag gegeben hat, Brot und Kelch in seinem Namen zu teilen, ein Pessachmahl war. Pessach wird in Israel gefeiert, um die Nacht des Aufbruchs aus Ägypten zu vergegenwärtigen. Es wurde von der Christenheit nicht übernommen und bleibt damit das Eigentum Israels. Übernommen wurde aber das, was Jesus damals der Pessachliturgie zugefügt hatte. Wir teilen das Brot und den Kelch, um dieses Mahl, in dem Jesus den neuen Bund begründet hat, zu vergegenwärtigen und schließen uns damit der Tischgemeinschaft seiner Jünger an und bekräftigen den neuen Bund. Wir feiern damit seine Gegenwart so mitten unter uns, denn “wo zwei oder drei zusammen sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20). 

 

Für das Brotbrechen bieten sich zwei Möglichkeiten an. Zum einen kann es im Anschluss an die Mahlzeit mit Worten des 111. Psalms eingeleitet werden:  

„Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR. Er gibt Speise denen, die ihn fürchten; er gedenkt auf ewig an seinen Bund (...) Er sandte Erlösung seinem Volk / und gebot, dass sein Bund ewig bleiben soll.“ 

 

Oder mit diesen Worten aus Lukas 24:  

 

„(Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.) Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn.“ 

 

Dann nimmt eine(r) das Brot, hält es sichtbar hoch, und spricht den Brotsegen: 

„In der Nacht, in der der verraten wurde, man er das Brot, dankte und brach es und gab es ihnen und sprach: Nehmt und esst, dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das tut zu meinem Gedächtnis“ 

 

Danach wird sogleich das Brot herumgereicht und jede(r) bricht sich ein Stück davon ab. Es kann sofort gegessen werden oder später in den Wein eingetaucht und danach gegessen werden.  

 

Danach wird der Kelch hochgehalten und das Kelchwort gesprochen, was auch durch eine andere Person an Tisch geschehen kann:  

 

„Nach den Mal nahm er den Kelch, dankte und gab ihnen den und sprach: Nehmt und trinkt alle daraus, dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Verfügung der Sünden. Das tut, so oft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“ 

 

Danach wird der Kelch gereicht. Alternativ kann es auch ein Krug sein, aus den Wein in die eigenen Gläser oder Becher gegossen wird. Daran kann sich eine Gebetszeit und das Vaterunser anschließen. 

 

Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Mahlzeit mit den Brotwort und den Teilen des Brotes und den Kelchwort und den Teilen des Kelchwort eingerahmt wird. Nach dem das Brot geteilt worden ist, wird dann ein Tischgebet gesprochen, z. B.: 

 

“Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich. – Aller  Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen.”

 

Die Mahlzeit wird dann mit dem Kelchwort – “nach dem Mahl” – einer Gebetszeit, dem Vaterunser und dem Segen abgeschlossen. 

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