Offenbarung 3,7-13 - 2. Advent (VI)

(Lutherbibel)

 

Wir sind nicht die Sahne auf dem Kuchen. Wir sind vielmehr das Salz in der Suppe.  

Sahne auf dem Kuchen macht was her. Aber man könnte auch auf sie verzichten. Der Kuchen schmeckt trotzdem, manchmal sogar besser. Das Salz, was in die Suppe kommt, ist verschwindend winzig. Aber es gibt kaum ein Gericht, das ohne Salz auskommt. Ohne Salz schmeckt alles nach nichts. Man muss nur aufpassen, dass man nicht auch nur einen Tick zu viel Salz ran tut. Dann ist die Suppe versalzen. Das zu viele Salz bekommt man nicht mehr raus. Wer wie ich ganz gerne mal den Kochlöffel schwingt, weiß, wie schnell das passiert. Das hat schon manche Ehe ernsthaft gefährdet (meine vielleicht nicht, aber Frust gab’s schon mal). Lieber zu wenig salzen und einen Salzstreuer auf den Tisch stellen für zum Nachsalzen, falls nötig. 

 

Jesus hat daraus ein Gleichnis gemacht, “Ihr seid das Salz der Erde”. Jesus liebt Gleichnisse, in denen was ganz Winziges vorkommt, dass eine verblüffend große Wirkung hat. “Ihr seid das Licht der Welt”, sagt er an der gleichen Stelle, damit ist ja kein Scheinwerfer gemeint, die gab’s noch nicht, sondern ein kleines Öllämpchen oder Talglicht, mit einer schwachen flackernden Flamme, aber sie reicht aus, um sich im dunklen Zimmer zu orientieren. Mit dem Sauerteig im Brot verhält es entsprechend, und mit dem Senfkorn, aus dem ein riesiger Strauch wird, auch. Ganz klein, aber hoch wirkungsvoll! 

Diese Gleichnisse Jesu muss man im Hinterkopf haben, wenn man das Sendschreiben des Propheten Johannes an die Gemeinde in Philadelphia in Kleinasien liest. 

 

“Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.” 

"Du hast mein Wort von der Geduld bewahrt, so will ich auch dich bewahren vor der Stunde der Versuchung” 

 

Der Johannes hätte ja auch schreiben können: Na ja, ist ja nicht so ganz viel. Hätt’ ja ein bisschen mehr sein können. Er hätte auch sagen können: Da ist noch viel mehr drin. Da kann noch viel mehr passieren. Lasst den Glauben unter euch groß werden! Lasst das Reich Gottes unter euch wachsen! Seid nicht so bescheiden. Seid nicht so kleingläubig. Setzt euch Ziele. Setzt auf Wachstum.” 

Das sagt er alles nicht. Stattdessen: 

 

“Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.” 

Das ist nicht Nichts. Das ist sehr viel. Das ist aller Ehren wert. Das verdient Anerkennung. Sie hatten nur eine kleine Kraft. Aber die haben sie eingesetzt, um sein Wort zu bewahren. Dass genau ist das Salz der Erde, von dem Jesus gesprochen hat. Mehr braucht es nicht. Mehr ist unter Umständen sogar schädlich. Eine versalzene Suppe schmeckt nicht scheußlich, sondern ist auch nicht gesund. 

Wir feiern hier im Dom Gottesdienst, während draußen gerade der Weihnachtsmarkt-Betrieb in Fahrt kommt. Wir hätten sagen können: Da ist noch so viel Platz. Hätten auch noch ein paar mehr kommen können - Nein! Dass Ihr hier seid, dass wir hier sind, ist gut genug. Mehr braucht es nicht. Das reicht. Die Leute draußen werden irgendwie mitkriegen, dass hier heute Gottesdienste gefeiert werden. Das ist eine Botschaft an sie. Stellen wir uns vor, wir hätten heute weder den evangelischen Abendmahlsgottesdienst noch gleich die katholische Sonntagsmesse. Dann stünde direkt neben dem Weihnachtsmarkt eine wunderschöne gotische Kirche, aber ohne Gottesdienste! Auch das wäre eine Botschaft! Aber in die andere Richtung. Die Kirchen haben keine Kraft mehr, nicht mal mehr eine kleine, die sind am Ende! Die Leute draußen sehen, dass Leute in die Kirche gehen und später wieder rauskommen, dann noch einmal, und es läutet, vielleicht hört man die Orgel und Bläser ein bisschen draußen und riecht gleich was von dem Weihrauch. Das ist ein Signal. Das ist eine Botschaft. Das ist es wert. 

 

“Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.” 

Philadelphia und die anderen Städte, an die die sieben Sendschreiben in Offb 2 und 3 gerichtet sind, liegen alle in einer Region in Kleinasien, die wahrscheinlich die Heimatregion für diesen Johannes ist. Wir befinden uns in der Zeit der Herrschaft des Kaisers Domitian. Er regierte von 81 bis 96 nach Christus. Es war keine schlechte Zeit. Nach den schrecklichen Jahren der Nero-Zeit, gings den Leuten gut, sie erfreuten sich einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung nach den Zeiten des Niedergangs. Sie genossen auch die große Freiheit, die sich unter der Herrschaft des Domitian entfalten konnte. Eine systematische Christenverfolgung hat es unter ihm nicht gegeben. Auch Christen und Juden gehört selbstverständlich zum Leben der Stadt, verstecken brauchten sie sich nicht. Es gab nur eine wunde Stelle: Domitian wollte als “Herr und Gott” angeredet werden. Das war nicht nur Eitelkeit. Das war ein Instrument, um seine Macht zu sichern. Die Leute hatten kein Problem damit, Rauchopfer für den Kaiser darzubringen. Das kostete sie nichts und tat nicht weh. Aber die Christen konnten das nicht, weil sie damit Jesus als “Herrn und Gott” verleugnet hätten. Und das war der Punkt, an dem sie mit dem Kaiser in Konflikt geriet und dieser dann doch gegen die Christen vorging. Sich zu Christus zu bekennen, sein Wort zu bewahren, seinen Namen nicht zu verleugnen, war also doch nicht so ungefährlich und konnte im Gefängnis, in der Folter oder im Tod enden. Eine weitere Frage war, wie sehr man sich als Christen auf die heidnische und durch und durch religiös geprägt Umwelt einlassen durften. Wie weit konnten sie am öffentlichen Leben teilnehmen, ohne in Konflikte zu geraten und das Christusbekenntnis zu verletzen? Schon Paulus musste sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Hinzu kam der offensichtlich tiefe Konflikt zwischen jüdischer und christlicher Gemeinde am Ort, der hier angedeutet wird. (Auch hier stoßen wir auf eine der Wurzeln des kirchlichen Antisemitismus). Das alles waren Fragen, die alles andere als leicht zu beantworten waren. Daher ist die Aussage: “Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet” - ein echtes Kompliment! Ihr sollt Salz der Erde sein, und ihr seid es! Die Stärke dieser Gemeinde waren nicht große Aktionen und Events. Sie hatte keine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit, sie betrieb keine PR, wie das die Kirchen heute ausgiebig und intensiv tun. Sie war nicht bemüht, im öffentlichen Leben in Erscheinung zu treten. Ihre Stärke waren Verlässlichkeit, Beständigkeit, Treue. Wichtig war nicht, dass ihre Gottesdienste gut besucht waren. Wichtig war, dass sie verlässlich stattfanden, am selben Ort und zu den gleichen Zeiten, und dass die da waren, die Verantwortung für sie trugen. Das war nicht nichts, das war ausreichend und rief bei Johannes Anerkennung hervor. 

 

Welches Licht wirft die Gemeinde in Philadelphia, durch die wir durch dieses Sendschreiben erfahren, auf unsere Situation, auf unsere Kirche. Die Menschen verlassen sie kontinuierlich seit den 1960ger-Jahren, ihr Wort findet immer weniger das Gehör der Zeitgenossen, sie verliert an Autorität und sie weckt immer weniger Vertrauen. Sie steht massiv unter Druck, ist zutiefst verunsichert und weiß immer weniger, wie sie damit umgehen soll. Unsere Kirchenleitungen machen uns klar, dass in einer solchen Lage besondere Anstrengungen nötig sind, um den Prozess der Erosion, wenn schon nicht zu beenden, so doch zumindest aufzuhalten zu versuchen. Und wir, das Kirchenvolk, stellen die bange Frage: Wird das reichen? Haben wir überhaupt noch Einfluss darauf, oder wird die kirchliche Auflösung, so oder so, immer weiter voranschreiten.  

 

Und auf diese Ratlosigkeit antwortet das Schreiben des Johannes an die Gemeinde Philadelphia. Es macht uns klar: Nicht das Außergewöhnliche, nicht die besondere Anstrengung, nicht der Einsatz über das hinaus, was man erwarten kann, wird das Christentum voranbringen. Entscheidend und zentral und von großer Bedeutung ist etwas anderes: Verlässlichkeit, Beständigkeit, Treue. Wie gesagt, wir sind nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern das Salz in der Suppe. Wir haben in der Gemeinde in Düsseldorf, in der wir zu Hause sind, einen kleinen Kreis, zehn, zwölf, manchmal fünfzehn Personen. Wir sind nicht die Jüngsten. Aber wir treffen uns seit acht Jahren jeden Donnerstag von 18.30h bis 19.30h, um zu singen, zu beten, die Bibel zu lesen, sie zu besprechen, miteinander zu schweigen und unseren Glauben miteinander zu teilen. Ursprünglich, um gegen den Abriss unserer Kirche zu protestieren, aber die steht schon lange nicht mehr, und wir treffen uns immer noch. Das ist völlig unspektakulär, nichts besonders. Aber wir sind verlässlich und beständig dabei und wir halten die Treue. Hier in Altenberg geschieht das Gleiche, das weiß ich noch aus meiner Zeit und das weiß ich von gewöhnlich gut unterrichteten Leuten von hier. “Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet”. Wir werden auf diese Weise Gott nicht nötigen können, in unsere verstörte Welt zu kommen. Wir werden die Ausgießung des Geistes Gottes auf unsere Seelen und unsere Gemeinden nicht erzwingen. Aber weil wir mit seinem Kommen rechnen - “Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn” - weil wir mit seinem Kommen rechnen, tun wir alles, um dem Kommenden den Weg zu bereiten, In Verlässlichkeit, Beständigkeit und Treue. Die Herren dieser Welt kommen und gehen, unser Herr kommt. Und wenn er kommt, stehen wir bereit, um ihn willkommen zu heißen. Das genau ist der Sinn unseres unspektakulären und alltäglichen, treuen, verlässlichen und beständigen Lebens im Glauben. Unsere kleine Kraft, mit der wir sein Wort bewahren und seinen Namen nicht verleugnen, bewirkt sehr viel mehr als wir ahnen. Nicht als Sahne auf dem Kuchen, wohl aber als Salz in der Suppe.  

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