(1/3) Rheinische Landessynode 2025: Paradigmenwechsel

 

Ich zitiere aus dem Bericht des Präses auf der Landessynode 2025 in Bonn:

 

• „Wir haben die höchste Austrittsquote seit der Nachkriegszeit.

• Demographisch erleben wir einen tiefen Abbruch religiöser Verbundenheit zwischen

den Generationen.

• Inflation und Wirtschaftskrise wirken sich unmittelbar auf die kirchlichen Finanzen aus.

Bei dieser Tagung werden wir einen Prozess zur Einsparung von mindestens 33 Millionen Euro auf den Weg bringen. Das wird auch den schmerzhaften Abschied von manchen wertvollen Arbeitsfeldern einschließen“

 

Im gesamten Bericht kommt der Präses dann nicht mehr auf diesen Sachverhalt und auf die finanzielle Lage zu sprechen. Er lässt nicht erkennen, ob der Trend in den kirchlichen Haushalten immer so weiter geht, oder ob es irgendetwas gibt, was ihn bremsen könnte. Es ist auch nicht erkennbar, ob die Maßnahmen, die die Landessynode beschlossen hat, dazu geeignet sind, ja überhaupt dazu gedacht sind, dass Ausgaben und Einnahmen irgendwann einmal dauerhaft miteinander in Einklang stehen. Beschlossen wird eine Einsparung von 33 Millionen Euro - aber es ist nicht absehbar, dass es auch danach wieder einen ausgeglichenen Haushalt gibt und nicht erneut "schmerzliche Abschiede" genommen werden müssen.

 

Die Feststellung: "Wir haben die höchste Austrittsquote seit der Nachkriegszeit" würde normalerweise erfordern, innezuhalten. Das gleich gilt für die Wahrnehmung eines "tiefen Abbruchs religiöser Verbunden zwischen den Generationen". Was passiert hier eigentlich gerade und wie dramatisch oder belanglos ist das? Es entspricht ja unserer Erfahrung - es dürfte gewiss nicht nur meine sein - , wenn wir uns in unseren Freundeskreisen, Nachbarschaften und Familien umhören: Das Erscheinungsbild der evangelischen Kirche verblasst zunehmend, sie kommt im öffentlichen Leben immer weniger vor, ihr Profil wird immer diffuser und die Menschen wissen immer weniger, was die evangelische Kirche eigentlich ist. Unterstrichen wird das durch zahlreiche Schließungen von Kirchen und Gemeindezentren. Dementsprechend sinken Motivation, Leidenschaft und die Identifikation mit der Kirche und der eigenen Gemeinde, die sich in immer größeren und anonymer werdenden Einheiten hinein auflöst. Dieser Niedergang scheint gefühlt derzeit ungebremst vonstatten zu gehen.

 

Diese Beobachtung ist nicht neu, aber sie intensiviert sich. Schon vor 19 Jahren wurde der Versuch etwa mit dem Impulspapier "Kirche der Freiheit" (2006) gemacht, dagegen zu steuern. Die zentrale Erkenntnis lautete: Wir brauchen einen Mentalitätswandel! "Es gibt ein ungutes Kirchturmdenken in Gemeinden und Arbeitsbereichen der evangelischen Kirche, die sich mit der Anerkennung einer gesamtkirchlichen Verantwortung oft schwer tun", stellte das Papier fest, und weiter: "Es gibt… Defizite in der Verantwortungsbereitschaft für das Ganze der Kirche und für den Zusammenhalt der vielfältigen kirchlichen Handlungsfelder", denn "Beheimatungskraft hat mit den qualitativen Ansprüchen an theologisches, liturgisches und seelsorgerliches Handeln zu tun; hierin liegt deshalb eine entscheidende Herausforderung". (alle Zitate S. 50) Der Mentalitätswandel bestand also darin, an die Stelle eines "unguten Kirchturmdenkens" die  "Anerkennung einer gesamtkirchlichen Verantwortung" und die "Verantwortungsbereitschaft für das Ganze" zu setzen.

 

Heute spricht niemand mehr von einem Mentalitätswandel, was kein Wunder ist, denn der Mentalitätswandel ist weitgehend umgesetzt worden. Das gilt auch für die Rheinische Kirche; auch wenn es heftige Diskussionen um die "Kirche der Freiheit" gegeben hatte, so hat sich doch der Geist, die Philosophie des Impulspapieres auch bei uns weitgehend durchgesetzt und bestimmt die Tagesordnungen bis heute. Wenn das so ist, dann führt die Feststellung des Präsesberichtes, dass wir "die höchste Austrittsquote seit der Nachkriegszeit" haben, zwingend zur Erkenntnis, dass der Mentalitätswandel komplett gescheitert ist (was der Rheinische Pfarrverein, um das nebenbei anzumerken, schon seit Jahren vorausgesehen und darauf hingewiesen hat, ebenso der Verein "Kirchenbunt"). Man müsste also meinen, dass auf der Landessynode eine Stimmung von Niedergeschlagenheit und Resignation herrscht. Aber das Gegenteil ist der Fall, es ging geradezu euphorisch und begeistert zu, die Landessynode hatte was von eine Blase an sich.

 

Auch der Präses hatte erkennbar keine Lust, sich darauf weiter einzulassen: "In meinem Bericht möchte ich daher nicht die Sorgenfalten-Perspektive wählen, sondern bei Gottes Gaben an uns ansetzen." Dann zündete er ein wahres Feuerwerk von sieben Geistesgaben, das am Ende auf lang anhaltenden Beifall der Synodalen und Gäste stieß. Die Selbstwahrnehmung der Kirche, die man hier antrifft, steht im krassen Widerspruch zur ihrer oben erwähnten öffentlichen Wahrnehmung. „Sieht denn hier keiner, das der Kaiser keine Kleider an hat", würde Reinhard Mey jetzt singen, "seht doch mal richtig hin, der arme Kerl ist splitternackt". Es liegt doch auf der Hand, dass ein gedeihliches und gesundes kirchliches Leben sich auch in einem ausgeglichenen Haushalt ausdrückt, in dem sich in aller Regel Ausgaben und Einnahmen decken, ohne an die Substanz gehen zu müssen. Wenn das nicht gegeben ist - und es ist offensichtlich nicht gegeben - dann kann doch die erste Reaktion nur sein, sich die Betroffenheit und die Ratlosigkeit einzugestehen und innezuhalten. Aber sogleich von "Aufbruch", von "Zukunft", von "Kirche 2.0" zu reden und alle Anwesenden darauf einzuschwören, muss zwangsläufig in Selbsttäuschung münden. Wenn man in eine Sackgasse hinein läuft, hilft es nicht, das Tempo dabei noch zu steigern.

 

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