(2/3) Rheinische Landessynode 2025: Paradigmenwechsel

 

Auf den Präsesbericht müssen wir hier nicht weiter eingehen, aber an drei Beispiel möchte ich aufzeigen, wie der Mentalitätswandel, wie oben beschrieben, weiter gepflegt wird.

 

Beispiel "Vielfältige Gemeindeformen":

 

Die Landessynode ermöglicht es, "dass Auftrag und Aufgaben, welche bisher den Kirchengemeinden obliegen, von Kirchenkreisen oder Regionen wahrgenommen werden können". Den Kirchenkreisen werden "mehr und flexiblere strukturelle Möglichkeiten auf dem Weg zu mehr gemeindlicher Vielfalt an die Hand" gegeben. Die Identität in Regionen und der Mut zur "regiolokalen Gemeindeentwicklung" soll gestärkt werden. Kirchenkreise kommen zunehmend als Anstellungsträger von Pfarrerinnen und Pfarrern in Betracht, denn die derzeitige "rechtlich kleinteilige Zuordnung von Auftrag und Aufgaben erleben viele Kirchenkreise als Hindernis zu ihrer Entwicklung hin zu mehr gemeindliche Vielfalt und Lebendigkeit… Eine gemeinsame Identität als Kirche in der Region ist jeweils anzustreben bzw. zu fördern."

 

Für jeden, der genau hinschaut, muss klar sein: Die ist das Ende der Gemeinde als eigenständig und selbstverantwortlich handelndes Subjekt. In der Vorlage geht es in erster Linie um die Stärkung des Kirchenkreises und seiner Handlungsmöglichkeiten. Die Gemeinden werden in Zukunft nicht mehr sein als Einrichtungen des Kirchenkreises, ggf. mit lokalem oder regionalem Bezug. Sie werden vom Kirchenkreis gesteuert werden. Die Christinnen und Christen sollen sich weniger mit ihrer Ortsgemeinde identifizieren, sondern vor allem mit ihrem Kirchenkreis und ihrer Region (dass die Menschen sich gewöhnlich in aller Regel in erheblich stärkerem Maß mit ihrem Quartier, ihrem Dorf und ihrer Nachbarschaft identifizieren, bleibt dabei außer Acht). Während die Ortsgemeinde von verlässlichen persönlichen Kontakten und Beziehungen bestimmt ist, treten an deren Stelle zunehmend formalisierte, funktionale, punktuelle, häufig wechselnde Kontakte. Aus persönlichen Begegnungen werden Absprachen, Abstimmungen, Gremien, Sitzungen. Je größer die Einheit wird, um sehr mehr nehmen organisatorische und verwaltungsmäßige Erfordernisse zu, umso anonymer und geschäftsmäßiger wird der Umgang miteinander und die Gremien-Frequenz steigt potenziert an. Das entspricht weder dem Bild von der Kirche im Neuen Testament noch den Erwartungen, die die Öffentlichkeit an sie hat. Zugestanden sei, dass die Rolle der Gemeinden als eigenständiges und selbstverantwortliches Subjekt auch schon bisher im Rahmen der preußisch geprägten parochialen Ordnung nicht unproblematisch war, dass auch bisher die Gemeinden sich zu Kirchenregionen entwickelten und das hier Reformbedarf ansteht. Aber was hier geschieht, ist ein tiefer Paradigmenwechsel, weg von einer Gemeindekirche, hin zu einer Kirchenkreiskirche.

 

Passend dazu und konsequent ist, dass Gemeinden ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgeben sollen zugunsten einer "innerkirchlichen Rechtsform". Zivilrechtlich soll dann der Kirchenkreis für sie verantwortlich sein. Noch können die Kirchengemeinden dass selbst entscheiden - offenbar deutet sich da schon Widerstand an. Dann dürften aber auch die Konflikte vorprogrammiert sein, denn die "alten" Gemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts und die "neuen" "Gemeinden" innerkirchlicher Rechtsform werden zwangsläufig miteinander konkurrieren. Wenn die neuen Gemeinden eine Chance haben sollen, wird das zwangsläufig auf Kosten der alten gehen.

 

Beispiel "Umgestaltung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse":

 

In Zukunft will die Evangelische Kirche - von einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt an und unter der Voraussetzung, dass sich keine Risiken ergeben, die in einem Missverhältnis zu den Chancen stehen - Pfarrerinnen und Pfarrer nur noch privatrechtlich anstellen. In Gesprächen darüber mit Kollegen habe ich immer wieder Zweifel gehört, ob die finanziellen Vorteile tatsächlich so groß sind, dass sich dieser Weg lohnt. Ich selbst kann das nicht beurteilen.

 

Aber es geht nicht nur um die öffentliche oder privatrechtliche Anstellungsform. Es geht - so ausdrücklich - um einen "Systemwechsel". Der Pfarrdienst soll neu gestaltet werden. Er soll auf "Zeitgemäßheit und Attraktivität hin" fortentwickelt werden. Dazu werden Rahmenbedingungen genannt: "Arbeiten in multiprofessionellen Teams, Zusammenwirken der Ämter und Berufe, Berufszufriedenheit, Entgeltstruktur, Arbeitszeit, Erreichbarkeit, Residenzpflicht etc."

 

Selbstverständlich müssen Pfarrerinnen und Pfarrer nicht zwingend öffentlich-rechtlich oder beamtenähnlich angestellt werden. In den allermeisten evangelischen Kirchen in der Welt dürften privatrechtliche Angestelltenverhältnisse die Regel sein. Das Pfarrdienstgesetz der EKD und die davon abgeleiteten landeskirchlichen Fassungen dieses Gesetzes gelten unabhängig vom öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis. Jedoch ist zweierlei zu bedenken, zum einen die Botschaft, die damit an die Öffentlichkeit geht und zum anderen die Frage, wie es um die Freiheit des Pfarramtes bestellt ist.

 

Die Öffentlichkeit wird sehr sorgfältig registrieren, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer keine öffentlichen Personen mehr sind. Sie wird des ebenso als Rückzug von öffentlicher Präsenz wie vom Anspruch deuten, Anwalt der grundlegenden Werte unserer Gesellschaft zu sein. Ansprechbarkeit, Erreichbarkeit und Präsenz werden abgeschwächt. Pfarrerinnen und Pfarrer, welcher theologischen Strömung sie sich auch zurechnen, waren bisher gleichwohl Repräsentanten der ganzen evangelischen Kirche vor Ort - auch das wird zunehmend aus dem Bewusstsein der Menschen schwinden.

 

Die Freiheit des Pfarramtes, nur dem Wort Gottes und dem Gewissen verpflichtet und keinen Weisungen von Kirchenkreis, Kirchenleitung oder anderen kirchlichen Instanzen ausgesetzt zu sein, ist unverzichtbare Voraussetzung dafür, um es auszuüben. Pfarrerinnen oder Pfarrer dürfen niemals zu kirchlichen Funktionärinnen und Funktionären werden, denen man sagen kann, was sie zu tun und zu lassen haben. Gewiss mag der eine oder die andere am hohen Anspruch des Pfarramtes gescheitert sein, aber es gab immer und gibt (noch) großartige Kolleginnen und Kollegen, die nicht das geworden wären, was sie sind, wenn sie nicht die Freiheit dazu gehabt hätten. Selbstverständlich haben wir über unseren Dienst Rechenschaft abzulegen und jedem zu antworten, der wissen will, welchem Konzept wir darin folgen. Aber wir sind es selbst, die die dafür nötigen Entscheidungen zu treffen und zu verantworten haben.

 

Ob sich das Pfarramt eignet, um damit das kirchliche Geschehen besser steuern zu können, dürfte zu bezweifeln sein. All das ist bei dem geplanten Systemwechsel zu bedenken. Ob er dafür wirklich wert ist, wird sich zeigen müssen; einen kleinen Notausgang - für den Fall eines möglichen Missverhältnisses von Risiken und Chancen - hat die Synode sich ja noch gelassen.

 

Beispiel "Theologischer Bildungscampus":

 

2027 soll nach dem Willen der Synode der Betrieb der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal beendet werden. An die Stelle tritt ein sogenannter theologischer Bildungscampus in Form einer Weiterbildungsgesellschaft. Für sie will die Landeskirche ab 2031 die Hälfte der Kosten aufbringen, die für einen Weiterbetrieb als Kirchliche Hochschule erforderlich wären. Der Name des Bildungscampus soll "Barmen-Institut für Evangelische Theologie" lauten. Das klassische Theologiestudium wird dann nicht mehr möglich sein, durch Vernetzung mit anderen Hochschulen sollen aber theologisch qualifizierte Ausbildungsgänge angeboten werden. Als Zielgruppen werden genannt:

  • Quereinsteiger*innen in das Feld der Evangelischen Theologie, z.B. im Rahmen des berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengangs „Master of Theological Studies“ (MthSt)
  • Prädikant*innen und Prädikantenanwärter*innen mit besonderem Interesse an akademisch-theologischem Hintergrundwissen
  • Theologisch interessierte Menschen, die Theologie auf akademischem Niveau erfahren und dies an Fragen der Zeit studieren wollen (z.B. ethische Fragen zu Künstlicher Intelligenz, Menschenbild, Nachhaltigkeit, Seelsorge, Gesellschaft und Werte …) - im Unterschied zu Glaubenskursen
  • Pfarrer*innen bzw. Religionspädagog*innen im Kontext von qualifizierenden Weiterbildungen

Ich kann den Erfolg oder Nichterfolg dieses Vorhabens nicht einschätzen, will es aber in den bisher schon angedeuteten Gesamtzusammenhang der Entwicklung einordnen: Dass - aus Kostengründen - ein normales Theologiestudium auf dem Weg ins Pfarr- oder Lehramt nicht mehr möglich sein soll, passt ins Bild. Die Landessynode scheint am klassischen Pfarramt immer weniger Interesse zu haben - vielleicht auch deswegen, weil Pfarrerinnen und Pfarrer eben nicht so leicht steuerbar sind, wie andere haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende, etwa die oben Genannten. Der Name "Weiterbildungsgesellschaft" passt im Grunde als Begriff für die gesamte Kirche, die sich mehr und mehr als ein einziges, zugleich aber sehr unüberschaubares und schwer zu durchschauendes (eben: "vielfältiges") und deswegen nur zentral und professionell steuerbares religiöses Dienstleistungsunternehmen entwickelt. Entscheidend wird die Frage sein, ob das, was in den Bildungscampus investiert wird, sich irgendwann einmal rentieren wird, also auf vielen Wegen wieder In ihn zurückfließen und eine Eigendynamik entwickeln wird, oder ob schon in wenigen Jahren wieder einmal "schmerzliche Abschiede" genommen werden müssen. Welche Anzeichen sind erkennbar, dass das nicht wieder geschieht?

 

Unsere Landeskirche befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel. Diese Ausführungen hier sind nicht als Plädoyer zu verstehen, ihn zu vermeiden und alles beim Alten zu belassen. Im Gegenteil: es kommt in der Tat darauf an, uns mutig darauf einzulassen, es wird nicht anders gehen. Die Frage ist nur, wohin das gehen soll. Hier mache ich den Vorschlag, eine ganz andere Richtung einzuschlagen und etwas zu tun, was selbst der Reformation nur unzureichend gelungen ist: die konsequente Verwirklichung evangelischer Freiheit. 

 

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