Zu lange war ich jetzt in der Kirche aktiv, als dass ich noch in die Klagegesänge einstimmen könnte, dass die Gottesdienste immer leerer werden, die Menschen in Scharen auswandern und die wahre Lehre die Leere der Kirche sei oder so ähnlich.
Wenn ich etwa in den Jahren meines Dienstes in der Kirche gelernt habe, dann dies: Die Kirche ist von zentraler Bedeutung für Kultur und Zusammenleben in unseren Breiten. Das Christentum ist sehr viel vitaler als es den Anschein hat und christlicher Glaube wird nach wir vor unter uns auf vielfältige und in sehr unterschiedlicher Weise praktiziert.
Was sich allerdings ändert, und das in tiefgreifender Weise, ist die Gestalt der Kirche. Man könnte es so beschreiben: Bisher hat die Kirche das Christentum hervorgebracht. In Zukunft wird es umgekehrt sein. Bisher war christliche Glaube praktisch identisch mit der Beteiligung am kirchlichen Leben. In Zukunft wird der praktizierte christliche Glaube selbst und immer wieder neu die Kirche hervorbringen, die eine Kirche in den verschiedensten Gestalten.
Bisher bestand das Christsein aus einer Art kundenorientierten und Dienstleistungen beanspruchenden Kirchenmitgliedschaft. In Zukunft wird die Kirche dort sein, wo Christinnen und Christen beherzt selber Kirche sind. Sie sind mündig und verantwortungsbereit, sie ergreifen selbst die Initiative. Sie tun das, ohne irgendjemanden um Erlaubnis zu bitten.
Die in der Berneuchener Bewegung entstandene Regel des Geistlichen Lebens könnte dafür ein wichtiger Hinweis sein. Sie ist gegen Ende der 1920-Jahre entstanden. Sie ist nicht im Wortlaut festgelegt, es gibt sie offenbar in unterschiedlichen Fassungen. Drei von ihnen stelle ich vor: Den ursprünglichen Wortlaut, die heutige im Berneuchener Dienst geltende Lebensordnung und einen Vorschlag von mir. In der kommenden Zeit werde ich an dieser Stelle noch genauer auf sie eingehen.